Bethan Huws: Reading Duchamp, Research Notes 2007–2014, 24.10.2014 – 01.02.2015
Eintauchen in Bethan Huws‘ Forschungslabor
Seit Mitte der 1990er-Jahre beschäftigt sich
die walisische Künstlerin Bethan Huws (*1961) mit Marcel Duchamp (1887–1968),
dem geistigen Vater der Konzeptkunst und fasst ihre Erkenntnisse seit 2007 in
Werke und Skizzen zusammen. Im Kunstmuseum Bern werden diese Forschungsnotizen
(Research Notes) erstmals in einer raumfüllenden Installation ausgestellt.
Huws begeistert sich wie Duchamp für Wortspiele, Ideogramme und Symbole. Duchamps Schaffen, seine Ready-Mades und Installationen mit anspielungsreichen Titeln, die bis heute voller Geheimnisse geblieben sind, reizten sie deshalb zum Rätselraten und Entschlüsseln der verborgenen Bezugnahmen.
Raumfüllendes Mindmap
Huws‘ Forschungsnotizen
bestehen aus Zeichnungen, Schriftstücken, Collagen, Postkarten, Fotokopien aus
Wörterbüchern und Reproduktionen von Duchamps Werken. Erstmals werden sie in
grossem Umfang als Installation und eigentliches, raumfüllendes Mindmap präsentiert.
Die Installation, die die Künstlerin selber konzipiert hat, entspricht zugleich
der Re-Inszenierung der Ateliersituation von Huws in Berlin zu einem Zeitpunkt,
als sie erste Forschungsergebnisse einem Kunsthistoriker zeigte. Die ausgestellten
Forschungsnotizen fallen dabei in zwei Kategorien. Die „general files“ werden
in der Ausstellung auf Tischen präsentiert und beinhalten Erkenntnisse zu generellen
Kategorien, die Bethan Huws im Werk von Marcel Duchamps festgestellt hat, wie
zum Beispiel Farbe, Geometrie, Zahlen, Malerei, Schach, Christentum, Mythen,
Geist oder der Dichter und Kunstkritiker Guillaume Apollinaire, um nur einige zu nennen. Huws sammelte alle
Informationen zum Auftauchen eines Themas in Duchamps Werk in einem bestimmten
Kontext, um seinen Platz in Duchamps System zu begreifen. In den „individual
works“ dagegen untersucht Huws einzelne Werke von Duchamp, darunter so berühmte
Arbeiten wie das Gemälde Nu descendant un
escalier (Akt, die Treppe herabsteigend, 1912), die grosse Glasarbeit La mariée mise à nu par ses
Célibataires, même (Die Braut von
ihren Junggesellen nackt entblösst, sogar, 1915–23) oder die Installation Etant Donnés (Gegeben, 1946–66). Sie stellt
diese in einen grösseren Zusammenhang innerhalb des Werks von Duchamp und auch
innerhalb der französischen Kultur, um die vielschichtigen Anspielungen Schritt
für Schritt zu entschlüsseln.
Verwandt im Geiste
Was Huws und Duchamp unter
anderem verbindet, ist die Ansicht, dass das eigentliche Werk im Nachvollziehen
der Gedankengänge über die Bedingungen eines Kunstwerks entsteht. Erst die
Interpretation bzw. das Verstehen eines Kunstwerks macht etwas zu Kunst. So
will Huws nicht nur die Bedeutung von Duchamps Werk entschlüsseln, es geht auch
darum aufzuzeigen, wie Bedeutung an sich erzeugt wird. Huws wandelt gedanklich
auf Duchamps Spuren und wendet seine eigenen Methoden und seine Strategien
zurück auf sein Werk an. Im Unterschied zu einer akademischen und kunsthistorischen
Recherche erlaubt sich die Künstlerin Lücken, das Durchscheinen ihrer
subjektiven Interessen und Rückschlüsse auf ihr eigenes Werk. Ihre umfassende
Beschäftigung mit dem Jahrhundert-Künstler sowie die daraus resultierenden
Erkenntnisse sind ein unkonventioneller Beitrag zur Kunstgeschichte der Moderne
und der Gegenwart. Sie schafft so ein feinfühliges und intelligentes eigenständiges
Werk voller Humor und Poesie, das über Grundlagen von Kunst nachdenkt.
Aussergewöhnliche Konzeptkünstlerin
Bethan Huws wurde 1961 in Bangor, Wales geboren. Sie studierte am Middlesex
Polytechnic (1981–1985) und Royal College of Art (1986–1988) in London. Sie
lebt und arbeitet in Paris und Berlin. Bekannt wurde sie vor allem für ihre «Word Vitrines», Ready-Mades und Objekte sowie Videoarbeiten. Seit 1999 gelangen
Werke der aussergewöhnlichen Konzeptkünstlerin in die Sammlung des Kunstmuseums
Bern.
Kontakt: Brigit Bucher, , T +41 31 328 09 21
Bilder: Marie Louise Suter, , T +41 31 328 09 53