China-Fenster im Kunstmuseum Bern: Liu Ye und Ji Dachun
Zwei Welten: meisterhaft Bizarres und grotesk Surrealistisches
Das diesjährige China-Fenster zeigt zwei Einzelausstellungen chinesischer Künstler der mittleren Generation. Liu Yes künstlerische Welt scheint vordergründig kindlich, erweist sich aber keineswegs als naiv. Seine meisterhaft gemalten Bildern muten oft bizarr an. Ji Dachun verblüfft mit sonderbaren Objekt- und Figurenkombinationen auf weissem Hintergrund. Seine individuelle Ästhetik ist von groteskem Humor geprägt. Zu sehen sind Werke der beiden Künstler aus der Sammlung Sigg und weiteren Privatsammlungen.
Als Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Sammlerpaar Ueli und Rita Sigg nach der erfolgreichen Ausstellung im 2005 Mahjong. Chinesische Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg öffnet sich in jährlichem Abstand ein China-Fenster im Kunstmuseum Bern. Nachdem letztes Jahr Werke von Künstlerinnen und Künstler aus Kanton zu sehen waren, werden dieses Jahr zwei Künstler der mittleren Generation gezeigt: Liu Ye und Ji Dachun.
Liu Ye lebt in Peking, wo er 1964 geboren ist. Er gehört zu den wenigen Künstlern, die regelmässig zwischen Europa (Deutschland, Holland und England) und China hin und her gependelt sind, was ihm nach eigenen Worten erlaubt hat, «sich auf sich selbst zu konzentrieren». Lius gesellschaftlich durch die Kulturrevolution (1966 - 1976) und visuell durch kitschige Propagandakunst beeinflusste Jugend haben eine künstlerische Welt hervorgebracht, die vordergründig kindlich erscheint, sich aber keineswegs als naiv erweist. Sie ist durch Jugenderinnerungen, Märchen und kindliche Vorstellungen des Glücks geprägt. Liu versucht, in seinen Arbeiten die Einbildungskraft und Sensibilität des Märchens mit dem strikten und rationellen Denken der Philosophie zu verbinden. So stellt er in kräftigen Farben den Katastrophen der Weltgeschichte die Figuren geflügelter Mädchen und Knaben gegenüber, einem im Bombenhagel untergehenden Schiff einen salutierenden Spielzeugmatrosen. Seine Mischung aus Fantasie und Wirklichkeit scheint manchmal bizarr und nahe am Kitsch - wenn nicht die meisterhafte Malweise und raffinierte Komposition beweisen würde, dass ein bewusst arbeitender Künstler am Werk ist.
Bei der Ausstellung Ji Dachun handelt es sich um die erste Einzelpräsentation des Künstlers ausserhalb des asiatischen Raumes. Der 1968 geborene Ji Dachun stammt aus Nantong (Provinz Jinagsu) und lebt und arbeitet in Peking. In seinen Zeichnungen und Gemälden mischt er die chinesische Tradition und den westlichen Modernismus zu einem ironischen, manchmal humorvollen Cocktail. Was er darstellt, entstammt dem Alltag und dennoch erlauben seine Werke einen neuen Blick auf die Dinge, indem er uns mit sonderbaren Objekt- und Figurenkombinationen, skurrile Bildfindungen oder ungewohnten Perspektiven konfrontiert. Auf weiss grundierten Hintergrund setzt er schön zentriert ein Objekt oder eine figürliche Darstellung, manchmal auch zwei Gegenstände oder Personen im Dialog. Die weite leere Fläche ist immer ein wichtiges kompositorisches Element. Immer spielen surrealistische Momente mit. Dabei kann das vermeintlich Naive in Sarkasmus umschlagen. Bei Ji Dachun gibt es nichts, was nicht dargestellt werden könnte, nichts, was nicht mit irgendetwas anderem kombiniert werden könnte. Oft zeugen seine Werke von groteskem Humor. So malt Ji Dachun etwa eine unglaubliche lange Banane, die sich wie eine Schlange windet, Picasso mit triefender Nase, einen Teddybär, der mit einem Schwein kopuliert, eine getrocknete Indigo-Wurzel oder einen Gelehrtenstein, der phallisch in die Bildfläche hineinragt. Der Maler zeigt keinerlei Respekt vor seinen Sujets, wohl aber vor der Malerei, die immer virtuos, entweder sehr präzis oder aber gekonnt hingeworfen erscheint. Jis Kunst nimmt im chinesischen Kontext eine sehr eigene Stellung ein. Scheinbar spielerisch hat er eine individuelle Ästhetik entwickelt.
Zu sehen sind neben Werken aus der Sammlung Sigg auch solche aus weiteren Privatsammlungen. Zu den beiden Ausstellungen erscheint je eine Publikation in deutscher und englischer Sprache. Beide Künstler haben aktiv am Ausstellungskonzept und an der Kataloggestaltung mitgearbeitet und werden an der Eröffnung anwesend sein.