Without Restraint Werke mexikanischer Künstlerinnen aus der Daros Latinamerica Collection
«Without Restraint» zeigt zum ersten Mal gemeinsam in einer Ausstellung Werke mexikanischer Künstlerinnen aus der Daros Latinamerica Collection (Zürich), der grössten und wichtigsten Sammlung ihrer Art in Europa. Sieben Künstlerinnen präsentieren im Kunstmuseum Bern ihre Lebenswelt aus dezidiert weiblicher Sicht und antworten auf internationale künstlerische Strömungen mit eigenen Ansätzen.
Ausgestellt werden in «Without Restraint» 35 Werke, darunter Fotografien, Videos, Objekte und Installationen folgender international bekannter Künstlerinnen: Ximena Cuevas (*1963), Claudia Fernández (*1965), Teresa Margolles (*1963), Betsabeé Romero (*1963), Maruch Sántiz Gómez (*1975), Teresa Serrano (*1936) und Melanie Smith (*1965).
Das vielgestaltige und provokative Werk dieser Künstlerinnen vermittelt einen Einblick in die wichtigsten Aspekte des mexikanischen Kunstschaffens der letzten Jahrzehnte. Die Ausstellung bietet gleichzeitig die Möglichkeit, kritisch über zeitgenössische Frauenkunst in Mexiko zu reflektieren und sie zu kontextualisieren. Die Werke setzen sich mit der Idee der «mexicanidad» – der nationalen Identität in Mexiko – auseinander. Sie hinterfragen die von den herrschenden Machthierarchien zugeordneten traditionellen Funktionen und sozialen Räume der Frauen und anderer Minderheiten in der mexikanischen Gesellschaft. Durch die Anwendung unterschiedlicher Medien stellen sie die bestehende Ordnung ihres Alltaglebens und die Routine auf den Kopf, die Frauen in einem Labyrinth von traditionellen Archetypen einfängt. Themen wie Leben und Tod, Gewalt, Identität und Migration, Natur und Metropole werden im Werk der Künstlerinnen mit einem kritischen Blick unterschiedlich aufgearbeitet.
Kunst von Frauen in
Mexiko
Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts blieben
staatliche Kunsteinrichtungen und -akademien in ganz Lateinamerika Frauen meist
verschlossen und lange Zeit mussten sich Frauen, die künstlerisch tätig sein wollten,
auf volkstümliche und populäre Kunst sowie Kunstgewerbe beschränken, somit auf «Hobbys»,
die als vereinbar mit der Hausarbeit galten. Die mexikanischen Kunstschulen und
-akademien wie die angesehenen Einrichtungen San Carlos und La Esmeralda blieben
bis weit in die 1960er und 1970er Jahre hinein Idealen von männlichem
Chauvinismus und patriarchalischer Ästhetik verhaftet. Themen wie weibliche Sexualität,
Subjektivität und Alltagsleben wurden von der vorherrschenden männlichen
Mehrheit verächtlich belächelt, wenn nicht gar verboten. Dennoch leisteten einige
ausserordentlich begabte Künstlerinnen wie Leonora Carrington, Maria Izquierdo,
Tina Modotti, Remedios Varo und Frida Kahlo – die zweifellos berühmteste unter
ihnen – bemerkenswerte Beiträge zur mexikanischen Moderne.
In Lateinamerika und in den US-amerikanischen, kanadischen und europäischen Latina-Gemeinschaften wurde feministische Kunst erst in den 1970er Jahren und 1980er Jahren durch selbsterklärte feministische Künstlerinnen und Kollektive zum Thema. Der erste explizit feministische «grupo», der sich mit geschlechtsspezifischen Themen wie Diskriminierung, Gewalt und der Stereotypisierung des Mutterseins beschäftigte, war das Kollektiv «Polvo de Gallina Negra» (Pulver der schwarzen Henne), das 1983 von den Künstlerinnen Maris Bustamante und Mónica Mayer gegründet wurde.
Obwohl Künstlerinnen in den vergangenen dreissig Jahren zunehmend Möglichkeiten hatten zu studieren, zu arbeiten und auszustellen, gilt es in Mexiko auch heute noch als Ausnahme, wenn ein Museum oder eine Galerie der Kunst von Frauen eine Einzel- oder Themenausstellung widmet. Ausstellungen, die sich feministischen Themen in den Mittelpunkt stellen erhalten international eher wenig Aufmerksamkeit. Seit den 1990er, bis heute, ist das Wort «Feminismus» mit einem Stigma behaftet.
Die Mehrzahl der zeitgenössischen Künstlerinnen möchte weder sich selbst noch ihre Kunst notwendigerweise als «feministisch» bezeichnet sehen, allein schon, um nicht in den Bannkreis des Establishments und institutioneller Vorurteile zu geraten. Ihr Werk folgt jedoch demselben Wunsch, Stereotype der Frau, der Ethnie und der sexuellen Identität zu unterwandern, und stellt sich damit als Protest gegen das mexikanische Patriarchat dar.
Ziele und Aufbau der
Ausstellung
In «Without Restraint» wird einer in Mexiko nach wie vor
vernachlässigten Minderheit in der etablierten Kunstszene sowohl Platz als auch
eine Stimme gegeben, gleichzeitig sollen einige der Stereotype entkräftet
werden, auf denen das in der westlichen Welt noch weit verbreitete exotisch
überhöhte und hybride Bild von «authentisch» mexikanischer Kunst von Frauen
beruht. Die Werke in der Ausstellung sind sowohl
nach künstlerischen Positionen als auch thematisch angeordnet, und zwar dieser
Dreiteilung folgend, die sich konzentriert auf die aktive Produktion von Raum
und das Bestreben der Künstlerinnen,
neue gesellschaftliche Verhältnisse zu untermauern und die überlieferten
Hierarchien von Macht und Geschlechterrollen zu unterwandern: 1. Der häusliche Raum; 2. Der
weibliche Körper als Raum; 3. Der urbane Raum.
70 Jahre Diplomatische
Beziehungen Schweiz-Mexiko
Diese Ausstellung steht unter dem
Patronat von Claudia Ruíz Massieu Salinas, Ministerin für auswärtige
Angelegenheiten von Mexiko, und Bundesrat Didier Burkhalter, Vorsteher des
Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sie fällt
mit den Feierlichkeiten für den 70. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen
zwischen der Schweiz und Mexiko zusammen und wurde mit der Unterstützung des
Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten sowie der Botschaft
von Mexiko in der Schweiz realisiert. «Without Restraint» wird
ermöglicht durch die artEDU Stiftung, die Prof. Otto Beisheim-Stiftung, sowie
durch private und anonyme Gönner unterstützt. Sponsor der Ausstellung ist die
Zurich Versicherungs-Gesellschaft AG.
Kurator: Dr. Valentina Locatelli
Kontakt:
Maria-Teresa Cano, Abteilungsleiterin Kommunikation und Kunstvermittlung,
, T +41 31 359 01 89