1 Ausstellung, 2 Orte - Die Koproduktion mit dem Zentrum Paul Klee Lust und Laster. Die 7 Todsünden von Dürer bis Naumann, 15. Oktober 2010 bis 20. Februar 2011
Ist Lust Sünde, ist Sünde Lust?
Das Kunstmuseum Bern und das Zentrum Paul Klee präsentieren in enger Zusammenarbeit eine gemeinsame Ausstellung über die sieben Todsünden. Zu sehen sind Werke aus elf Jahrhunderten – vom 11. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Ausstellung zeigt in der Gegenüberstellung von älterer und zeitgenössischer Kunst den Wandel der Bedeutung der sieben Todsünden und fragt in lustvoller Weise, welche Relevanz der Sündenbegriff heute noch hat. Dank der Zusammenarbeit beider Häuser können neben Werken aus den eigenen Beständen hochkarätige Leihgaben präsentiert werden.
Die Schau ist in acht Kapitel gegliedert, die über beide Häuser verteilt sind. Nach einer Einleitung mit zyklischen Darstellungen sind im
Kunstmuseum Bern die Werke zu Superbia (Hochmut/Eitelkeit), Invidia
(Neid), Ira (Zorn) und Avaritia (Geiz/Habgier) zu sehen, im Zentrum Paul Klee jene zu Acedia (Trägheit), Gula (Völlerei) und Luxuria
(Wollust). Anhand ausgewählter kulturhistorischer Artefakte wird im
Zentrum Paul Klee zudem der Frage nachgegangen, welche Verhaltensweisen
bzw. Laster in der heutigen Gesellschaft akzeptiert oder geächtet werden und inwiefern gewisse Laster eine positive Umdeutung erfahren haben.
Lust und Laster gestern und heute
Seit die
kirchliche Morallehre im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts ihren
prägenden Einfluss auf die Gesellschaft verloren hat, scheint das
Konzept der sieben Todsünden nicht mehr zeitgemäss. Doch wie die Flut
künstlerischer, literarischer und wissenschaftlichen Bearbeitungen der
letzten Jahre beweist, ist das Thema nach wie vor
hochaktuell. Der Grund liegt darin – so die These der Ausstellung –,
dass die Todsünden von Anfang an nicht nur ein Mittel zur
Disziplinierung der christlichen Bevölkerung im Namen einer höheren
Moral waren, sondern zugleich eine Art Leitplanken, die das
Funktionieren der Gesellschaft gewährleisten sollten.
Mit dem sozialen und ökonomischen Wandel der letzten Jahrhunderte hat
sich auch die Beurteilung der Todsünden verändert. Die Haltung der
Gesellschaft zu den Sünden ist heute zwiespältig. Einerseits sind
Habgier, Neid oder Völlerei (in Form von Konsumismus) die Triebfedern
des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Und die sexuelle
Freizügigkeit, also die Wollust von gestern, ist in weiten Kreisen
gesellschaftsfähig. Andererseits werden eben diese Verhaltensweisen
heute noch gebrandmarkt, wenn sie die Gesellschaft schädigen oder ihr
Gleichgewicht zu gefährden drohen. So wird die Habgier der Manager als
Abzockermentalität verurteilt, das Konsumverhalten der
Wegwerfgesellschaft als oberflächlich und sinnentleert empfunden.
Diese Ambivalenz des Lasterbegriffs spiegelt sich sowohl in der alten
wie in der neueren Kunst wider. So mögen beispielsweise die Bilder der
holländischen Genremaler, welche die menschlichen Laster oft und gerne
darstellten, zwar moralisch gemeint sein, doch zeigen sie eben auch sehr anschaulich den Genuss der Sünder – etwa beim Trinken, Essen oder
Rauchen. Umgekehrt widerspiegeln zeitgenössische Kunstwerke neben der
Lust am Tabubruch oft auch das Bedürfnis nach moralischen Leitplanken
und Verhaltensregeln in einer Welt, in der (fast) alles erlaubt ist.
Hochkarätige Werke
Präsentiert werden Werke aus elf Jahrhunderten – vom 11. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Handschriften, Grafiken, Gemälde, Fotografien,
Installationen und Videos veranschaulichen in eindrücklicher Weise die
verschiedensten Aspekte des Sündenkanons.
Dank der Zusammenarbeit von Zentrum Paul Klee und Kunstmuseum Bern ist
es gelungen, hochkarätige Exponate wie die Antwerpener Tafel mit der
Darstellung des Jüngsten Gerichts aus dem späten 15. Jahrhundert oder
eine bedeutende Anzahl von holländischen Genrebildern aus dem 17.
Jahrhundert von Künstlern wie Adriaen Brouwer, Jan Steen, Jacob Jordaens und Adriaen von Ostade als Leihgaben zu erhalten. Des Weiteren
figurieren in der Ausstellung Werke von Peter Paul Rubens, Thomas
Couture, Franz von Stuck, Gustav Klimt, Otto Dix und natürlich Paul
Klee. Neben einer grossen Installation von Bruce Nauman an der Fassade
des Kunstmuseums Bern sind
zahlreiche weitere Arbeiten wichtiger zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler zu sehen (unter anderem von Marlene Dumas, Gilbert &
George, Andreas Gursky, Annette Messager, Cindy Sherman und Erwin Wurm).