Geschichte

Die Wurzeln des Kunstmuseum Bern liegen in der Kunsterziehung. Die erste Kunstschule wurde im Jahr 1779 eingerichtet. 1805 folgte die Gründung der Bernischen Akademie in den Gebäuden des ehemaligen Franziskanerklosters.

Vor 1879

Für die Gipsabgüsse nach antiken Statuen, die als Geschenk der französischen Regierung nach Bern kamen, wurde dort ein «Antikensaal» eingerichtet. Die Abgüsse legten den Grundstein für die «Staatliche Kunstsammlung». 1820 wurden Teile der Sammlung des umtriebigen Kunstpublizisten und Kunsthändlers Sigmund Wagner angekauft. Werkgruppen von Johannes Dünz, Niklaus Manuel und Joseph Werner dem Jüngeren legten den Grundstock zu einem «Vaterländischen Gemälde-Museum».

Die 1813 gegründete Bernische Künstlergesellschaft zielte neben dem Austausch auf die Förderung des einheimischen Kunstschaffens. Zu ihren Aktivitäten zählten das Sammeln und die regelmässige Organisation von Ausstellungen. Von 1840 bis 1854 richtete sie alle zwei Jahre eine Schweizerische Kunstausstellung aus. 

Bis 1864 waren die Berner Kunstsammlungen auf verschiedene temporäre Standorte verteilt: Stationen waren das spätgotische Antonierhaus, das barocke Stiftsgebäude beim Münster oder ein Zimmer im Erlacherhof. 1849 schliesslich wurde die Staatliche Kunstsammlung mit der Sammlung der Künstlergesellschaft vereinigt und im Chor der Französischen Kirche gezeigt. Dieses Jahr markiert die eigentliche Gründung des Kunstmuseums Bern. Ab 1864 war die Sammlung für fünfzehn Jahre im Westflügel des neu erbauten Bundeshauses zu sehen.

1879

Albert Anker setzte sich 1874 in seiner Funktion als Mitglied des Grossen Rates des Kantons Bern entschieden für den Bau eines Kunstmuseums ein. Als mit dem Tod des Berner Architekten Gottlieb Hebler ein Vermächtnis von 350΄000 Franken für den Bau eines Kunstmuseums zur Verfügung stand, gelang es, die verschiedenen Interessen in einem konkreten Bauvorhaben zu bündeln. Dazu verlieh der Regierungsrat des Kantons Bern 1871 der Trägerschaft des zukünftigen Kunstmuseums den Status einer Korporation. Diese setzte sich aus dem Staat, der Einwohnergemeinde und der Burgergemeinde Bern sowie der Bernischen Künstlergesellschaft und dem Kantonal-Kunstverein zusammen. Die Korporation realisierte den Museumsbau von Stadtbaumeister Eugen Stettler von 1876 bis 1878.

Am 9. August 1879 eröffnete das Kunstmuseum Bern. Der gründerzeitliche Prachtbau nach dem Neorenaissance-Entwurf Stettlers wurde am Rande des historischen Stadtplateaus als urbaner Konterpart zum Bundeshaus errichtet.

1879 bis 1936

Die Trägerschaft der Korporation wird 1917 in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt, die heute in die Dachstiftung Kunstmuseum Bern – Zentrum Paul Klee Eingang gefunden hat und weiterhin das Museum als Eigentümerin betreut, eigene Werke erwirbt und die ihr anvertrauten Sammlungen der ehemaligen Korporationspartner pflegt. Der Kantonal-Kunstverein löst sich 1919 auf. An seine Stelle tritt der Verein der Freunde Kunstmuseum Bern, der 2019 sein 100-jähriges Bestehen feiert.

1892 erwarb das Kunstmuseum Bern erstmals selbst ein Werk: Arnold Böcklins Meeresstille von 1887. Von 1896 an konnten dank der Gottfried Keller-Stiftung Ankäufe getätigt werden. Das Kunstmuseum war in der ersten Jahrhunderthälfte oft in deren Kommission vertreten. Albert Anker war Mitglied der ersten Kommission von 1891 bis 1901. Von 1903 bis 1920 hatte der Architekt und Museumsleiter Horace Edouard Davinet Einsitz. Conrad von Mandach, Konservator des Kunstmuseums von 1920 bis 1943, war ab 1930 Mitglied und von 1931 bis 1948 Präsident der Kommission. Auch der Maler Cuno Amiet gehörte von 1934 bis 1948 der Kommission an. Viele Hauptwerke der Schweizer Kunst fanden als Deposita Eingang in die Sammlung, so etwa Niklaus Manuels Die Zehntausend Märtyrer am Berg Ararat, Louise Elisabeth Vigée Le Bruns La Fête des bergers suisses à Unspunnen le 17 août 1808, Albert Ankers Kleinkinderschule auf der Kirchenfeldbrücke oder Ferdinand Hodlers Mädchen mit der Mohnblume, Der Auserwählte und Das Jungfraumassiv von Mürren aus, Alice Baillys Fantaisie équestre de la dame rose von 1913 oder auch Johannes Ittens Komposition in Blau von 1919.

1901 erfolgte der Ankauf von vier kapitalen Gemälden von Hodler, den sogenannten «Ehren-Hodlern»: Der Tag, Die Nacht, Eurythmie und Die enttäuschten Seelen. Im selben Jahr durfte das Museum das Legat von Adolf von Stürler mit seiner ausserordentlichen Sammlung früher italienischer Gemälde, darunter Duccios Maestà, entgegennehmen.

Erste richtungsweisende Ankäufe der Moderne waren 1933 Kirchners Alpsonntag. Szene am Brunnen und 1935 Paul Klees Ad Parnassum, ein Ankauf durch den Verein der Freunde. Beide Gemälde stammten aus dem Ausstellungsprogramm der Kunsthalle Bern unter der Leitung von Max Huggler.

1936

Schon zwanzig Jahre nach der Eröffnung des Gründerbaus wurde dieser als nicht mehr ausreichend für die schnell anwachsende Sammlung empfunden. Ab 1932 konnte eine Erweiterung auf der gegen Osten angrenzenden Parzelle in Angriff genommen werden. Der Architekt Karl Indermühle, der 1933 während der laufenden Bauarbeiten verstarb, und ihm nachfolgend Otto Salvisberg, entwarfen einen neusachlichen modernen Seitenflügel, der unmittelbar an den Stettlerbau anschloss. Der am 29. Februar 1936 eröffnete Bau bot unverzierte weisse Wände, die im Obergeschoss von Oberlichtern erhellt wurden – eine ideale Architektur für die zeitgenössische Moderne, die jedoch erst später dort Einzug halten sollte. Stattdessen dominierten zur Entstehungszeit Schweizer Künstler, die mit einem rustikalen Realismus dem Zeitgeist der «geistigen Landesverteidigung» huldigten. So wurde auch der Bauschmuck –ein Sgraffito an der Fassade hin zur Hodlerstrasse mit dem Thema «Apfelernte» von Cuno Amiet ausgeführt. Berner Künstler, die progressive Strömungen vertraten, protestierten mit einer nächtlichen Teer-Attacke auf das Sgraffitto.

1936 bis 1983

1944 trat der ehemalige Leiter der Kunsthalle, Max Huggler, die Nachfolge von Conrad von Mandach an und blieb bis 1965 im Amt. Huggler, ein herausragender Kenner der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts und der Moderne, verlieh der Sammlung ein internationales Profil. Zum «Vegetationspunkt» seiner Sammlungspolitik erklärte er Paul Klee. Um dieses Zentrum sollten «einige der wirklich schöpferischen Kubisten und Abstrakten – Braque, Picasso, Gris, Kandinsky – angeordnet werden». Nach dem Tod Lily Klees, der Witwe Paul Klees, gründete eine Gruppe von Berner Sammlern 1946 die Klee-Gesellschaft, aus der ein Jahr später die Paul-Klee-Stiftung hervorging. Die umfangreichen Bestände wurden ab 1952 im Kunstmuseum Bern aufbewahrt.

Neben den Ankäufen, die das Kunstmuseum Bern selbst getätigt hat, setzt sich die reichhaltige Sammlung mehrheitlich aus grosszügigen, privaten und institutionellen Schenkungen, Legaten und Dauerleihgaben zusammen. So schenkte der in Bern Kunstgeschichte lehrende Hans Hahnloser, Sohn des Winterthurer Sammlerpaares Arthur und Hedy Hahnloser, dem Museum 1946 Vallottons L’Enlèvement d’Europe und 1971 Vincent van Goghs Verblühte Sonnenblumen.

Freundschaftliche Beziehungen pflegte Huggler zum Kunsthändler und Sammler Georges F. Keller, der in den 1930er und 1940er Jahren in Paris aktiv gewesen war. 1952 gelangte ein Teil der Sammlung Keller als Depositum an das Haus. Mit Kellers Tod ging die Sammlung an das Kunstmuseum Bern über, darunter Hauptwerke von Paul Cezanne, Edgar Degas, Pierre Auguste Renoir, Henri Matisse, Chaïm Soutine, Pablo Picasso und Salvador Dalí.

Der Berner Kaufmann Hermann Rupf gehörte zu den ersten Sammlern, die ab 1907 in Paris Werke von Picasso, Georges Braque, aber auch von den Fauves gekauft hatten. Durch Vermittlung seines Jugendfreundes und Pariser Kunsthändlers Daniel-Henry Kahnweiler gelangten umfangreiche Werkgruppen von Fernand Léger, Juan Gris und André Masson in die Rupf-Sammlung. 1954 wurde sie dem Kunstmuseum Bern anvertraut und in eine Stiftung überführt.

1961 hinterlegte der Verein Ernst Kreidolf seine Werke im Kunstmuseum Bern. Unter anderem Schenkungen von Nell Walden und Marguerite Arp-Hagenbach erweiterten ab den 1960er Jahren die Sammlung. Die Adolf Wölfli-Stiftung verwaltet den Nachlass des ebenso umstrittenen wie visionären Schreibers, Dichters, Zeichners und Komponisten Adolf Wölfli. Seit ihrer Gründung 1975 ist die Stiftung im Kunstmuseum Bern beheimatet. Anfänglich in jeder Beziehung ein Aussenseiter, bildet das Werk von Adolf Wölfli heute ein unverwechselbares Charakteristikum des Kunstmuseum Bern.

1979 gelangten mit der Stiftung Othmar Huber Spitzenwerke von Picasso, Klee, Franz Marc, Alexej von Jawlensky und Wassily Kandinsky als Deposita ans Kunstmuseum.

Die Stiftung des Berner Sammlerpaares Anne-Marie und Victor Loeb schloss mit herausragenden Arbeiten von Johannes Itten, Victor Vasarely, Camille Louis Graeser, Max Bill und Richard Paul Lohse, von Lucio Fontana und Piero Manzoni, Jean Tinguely und Jesús Rafael Soto Lücken im Bereich der konstruktiven Kunst sowie der Nachkriegsavantgarde.

1983

1983 wurde der Erweiterungsbau des Berner Architektenkollektivs Atelier 5 mit zusätzlichen Flächen für die Sammlung, einem Kino, Büro-, Seminar- und Bibliotheksräumen sowie einem Café eröffnet. Das Grundstück liess aus Platzgründen kein drittes Gebäude zu. Der Erweiterungsbau von Indermühle/Salvisberg wurde mit Ausnahme der Strassenfront abgebrochen. Die Untergeschosse wurden in den Hang um mehrere Stockwerke erweitert. Die ehemalige Strassenfassade, eine geschlossene Mauer, wurde belassen und um eine blechverkleidete, einfache Stahlkonstruktion ergänzt. Den Bauarbeiten gingen unter dem Titel Vor dem Abbruch umfangreiche performative Kunst-Aktionen voraus.

In enger Zusammenarbeit mit dem Künstler Rémy Zaugg wurde der gesamte Ausbau mit grosser Zurückhaltung gestaltet, dafür standen der schwarze Fussboden und die grau gedachten Wände. Hinzu kam ein Hängekonzept, dass das Entfernen von historischen Rahmen vorsah. Nichts sollte von den ausgestellten Kunstwerken ablenken. Bereits 1993 musste der Atelier 5-Bau einer dringenden bautechnischen Sanierung unterzogen werden Die Renovierung der historischen Treppenhalle im Stettlerbau konnte 1999 abgeschlossen werden.

1983 bis 2019

In den 1980er Jahren durfte das Kunstmuseum Bern das Legat Meret Oppenheim sowie zahlreiche Schenkungen entgegen nehmen, so von Eberhard W. Kornfeld und von Marlies H. Kornfeld. 1992 schloss sich die Johannes-Itten-Stiftung dem Kunstmuseum an. Das Stiftungsgut ist im Kunstmuseum Bern deponiert und umfasst über 100 Arbeiten von Johannes Itten sowie Tagebücher und Schülerarbeiten aus seinem Unterricht. Die Itten-Stiftung ergänzt damit den Berner Bauhaus Schwerpunkt – sind doch sowohl Johannes Itten als auch Paul Klee mit ihrem Unterricht und ihrer künstlerischen Praxis prägende Meister des Bauhauses gewesen.

Die umfangreichen Bestände der Klee-Stiftung wurden 2005 in das Zentrum Paul Klee überführt, das von dem Berner Mäzenen Maurice E. Müller und den Erben Paul Klees initiiert worden war. Die spektakuläre Architektur von Renzo Piano beherbergt seitdem mit rund 4΄000 Werken die weltweit bedeutendste Sammlung von Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen Paul Klees, sowie Archivalien und biografische Materialien aus allen Schaffensperioden Klees. Das Zentrum Paul Klee ist als Kulturzentrum mit Mehrspartenbetrieb konzipiert – neben Kunstausstellungen prägen die Sparten Musik, Literatur und Agrikultur und der Eventbetrieb das Haus.

Die Sammlung des Kunstmuseums konnte in den letzten Jahrzehnten vor allem um Werke der Gegenwartskunst anwachsen, dies unter anderem dank der Schenkungen des Berner Galeristen und Sammlers Toni Gerber und der Stiftung Kunst Heute sowie durch Partnerschaften mit neuen Stiftungen. Das Kunstmuseum Bern verfügt heute mit den Beständen seiner Partnerstiftungen GegenwART, Kunsthalle Bern sowie Foto Film und Video, über eines der wichtigsten Gegenwartskunstkonvolute der Schweiz.

2006 wurde ein Projektwettbewerb für einen Erweiterungsbau durchgeführt, um die Ausstellungsfläche insbesondere für die Gegenwartskunst zu erweitern und eine sichere Anlieferung zu gewährleisten. Die beiden erstprämierten Projekte «angebaut» und «Scala» scheiterten − ersteres aufgrund des Denkmalschutzes, das zweite aus Kostengründen. Ein Modernisierungsprojekt, das die Sanierung und Erweiterung des A5-Baus vorsah, scheiterte 2017 am Vergabeverfahren.

2014 erbte das Kunstmuseum Bern den Nachlass von Cornelius Gurlitt. In Anschluss wurde die schweizweit erste Abteilung für Provenienzforschung aufgebaut, die vor allem durch Zuwendungen von privaten Stiftungen finanziert wird. Der Fokus liegt derzeit auf den Legaten Cornelius Gurlitt und Georges F. Keller.

2015 wurde als Abschluss eines langjährigen kulturpolitischen Prozesses die Dachstiftung Kunstmuseum Bern – Zentrum Paul Klee gegründet, damit erhielten beide Institutionen eine gemeinsame strategische Führung.