Adolf Wöfli Universum. Eine Retrospektive/Der Himmel ist blau. Werke aus der Sammlung Morgenthaler, Waldau
Kunst von Aussenseitern mit Weltruhm
Mit Werken von Adolf Wölfli und aus der Sammlung Morgenthaler ist «Outsider Art» in zwei Ausstellungen zu Gast im Kunstmuseum Bern. Von der Gesellschaft ausgestossen und verdrängt, schufen Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Klinik Waldau bei Bern hinter hohen Anstaltsmauern Werke, welche anziehend und irritierend zugleich sind .
Der Psychiater Walter Morgenthaler förderte während seiner Zeit als
Oberarzt in der Waldau von 1913 bis 1920 nicht nur das Schaffen seines
damaligen Patienten Adolf Wölfli, sondern er beschäftigte sich auch
intensiv mit der Bedeutung von gestalterischen Arbeiten anderer Kranken.
Weltweite Beachtung für ein radikales Werk
Adolf Wölfli (1864-1930) gehört heute zu den vielbeachteten Künstlern
des 20. Jahrhunderts, dessen Werk weltweit ausgestellt wird. Diese
internationale Karriere eines Waisen, Verdingkindes, Zuchthausinsassen
und Patienten einer psychiatrischen Heilanstalt ist aussergewöhnlich.
Sie ist das Resultat eines radikalen Werkes.
Wölfli war Zeichner, Schriftsteller und Komponist im Dienste seiner
obsessiven Mission: Auf über 25'000 Seiten hat er sein Leben neu
erfunden, zuerst in Form einer spektakulären Kindheit, dann als
glorreiche Zukunft, von ihm «St. Adolf Riesen-Schöpfung genannt». Wölfli selbst wird zum Heiligen «St. Adolf II.» und zum Mittelpunkt seiner
Schöpfung.
Die Retrospektive führt durch Wölflis Universum, welches bis heute
nichts an Dramatik, Komik und Schönheit verloren hat. In einer bisher
ungesehenen Fülle sind Wölflis Bilder, Texte und Musik zu sehen und zu
hören. Insbesondere Wölflis letztes Werk, der «Trauer-Marsch», ist in
Form einer Projektion neu zu erleben. Die ausgestellten Werke stammen
alle aus der 1975 gegründeten Adolf Wölfli-Stiftung, Kunstmuseum Bern.
Einzigartige Sammlung von «Outsider Art»
Walter Morgenthaler (1882 - 1965) beschäftigte sich wie damals
üblich vor allem mit der psychodiagnostischen Interpretation der
bildnerischen Werke. Gleichzeitig hinterliess er mit seiner Sammlung im
heutigen Psychiatrie-Museum Bern eine auch in künstlerischer Hinsicht
einzigartige Sammlung von 5000 Arbeiten. Neben der Prinzhorn-Sammlung
aus Heidelberg ist sie eine der weltweit umfassendsten und wichtigsten
dieser Art.
Es ist u.a. Morgenthalers Engagement zu verdanken, dass die «Outsider
Art», auch Art Brut genannt, öffentliche Anerkennung und Wertschätzung
erhielt. Der Ausstellungstitel «Der Himmel ist blau», ein Zitat aus
einem Werk von Constance Schwartzlin-Berberat, ist Sinnbild für die
Grenzenlosigkeit der Gedankenwelt.