Toulouse-Lautrec und die Photographie, 28.08. – 13.12.2015
Toulouse-Lautrec und die Photographie
Die Ausstellung konfrontiert zum ersten Mal das Schaffen des weltberühmten französischen Künstlers Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901) mit Photographien des Fin de siècle. Bilder und Zeichnungen, Lithographien und Plakate des Künstlers sind mit historischen Aufnahmen in Beziehung gesetzt, auf denen das gleiche oder ein ähnliches Motiv festgehalten ist und die dem Künstler oft als Vorlagen dienten. Zwar stammt keine dieser Aufnahmen von ihm selbst – Toulouse-Lautrec besass nie eine Kamera und hat nie selber photographiert. Wenn er eine Photographie für eine künstlerische Umsetzung brauchte, gab er sie vielmehr bei Freunden in Auftrag. Auch er selbst liess sich von diesen Freunden ungewöhnlich häufig ablichten, oft in den merkwürdigsten Posen und Verkleidungen.
Lautrecs Photographenfreunde
Von den drei Freunden, die für
Toulouse-Lautrec photographierten, war nur einer, Paul Sescau, Berufsphotograph.
Der zweite, François Gauzi, wollte wie Toulouse-Lautrec Maler werden und
studierte mit ihm im Atelier von Fernand Cormon. Dem dritten schliesslich,
einem wohlhabenden jungen Lebemann namens Maurice Guibert, hatte der Künstler
eine Zeitlang Malunterricht erteilt,
bevor sich dieser dann mit wahrer Leidenschaft der Photographie
zuwandte. Alle diese drei für Lautrec so wichtigen Kumpane werden in der
Ausstellung und im Katalog zum ersten Mal in Wort und Bild vorgestellt.
Lautrec als Verkleidungskünstler
Lautrec liebte es sehr, sich zu verkleiden,
sei es zu seinem persönlichen Vergnügen oder weil er einen jener Maskenbälle
besuchen wollte, die im verkleidungssüchtigen Paris des Fin de siècle gang und
gäbe waren. Auf den Photos, die er von sich in diesen grotesken Aufmachungen
machen liess, stellt er bald einen schielenden Samurai oder einen fanatischen
Muezzin dar, bald einen frommen Ministranten oder eine schrill aufgetakelte
Sängerin. Auf einigen Aufnahmen erscheint er in Gesellschaft anderer Künstler
oder von sonstigen Freunden, mit denen er eine Art komischer Performances
durchgeführt zu haben scheint.
Lautrecs photographisches Auge
Ein noch wichtigerer Aspekt des
Ausstellungsprojekts ist jedoch die bislang viel zu wenig gewürdigte Tatsache,
dass Toulouse-Lautrec, wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit, ein
photographisches Auge besass. Was immer er darstellte und wie er es darstellte,
ist undenkbar ohne die moderne Photographie. Dies beweisen sowohl die kühnen
Bildausschnitte mit den brutal
angeschnittenen Figuren und die steil ansteigenden Perspektiven als auch der
impetuose Skizzenstil, der wie die moderne Photographie auf ein möglichst
spontanes Erfassen eines Augeneindrucks ausging. Und wer hätte damals die
künstliche Welt des Pariser Unterhaltungsviertels Montmartre, seine
verführerischen Reize und die Abgründe, die sich dahinter auftun, nüchterner
und ungeschönter – also photographischer – darzustellen gewagt als
Toulouse-Lautrec?
Lautrecs Bildnis der Misia Natanson
Dass diese Ausstellung ausgerechnet in Bern
stattfindet, hat einen spezifischen Grund. Das Kunstmuseum Bern besitzt ein bezauberndes
Gemälde des Künstlers, auf dem Misia Natanson, die Gattin des Verlegers der Revue blanche, am Flügel wiedergegeben
ist. Die schöne junge Frau war in den Pariser Künstlerkreisen eine viel
bewunderte Persönlichkeit, und so verwundert es nicht, dass sie auch von
anderen jungen Malern wie Edouard Vuillard, Pierre Bonnard oder Félix Vallotton
porträtiert wurde. Ihr und ihrem illustren Kreis ist deshalb in der Ausstellung
ein eigener Themenbereich gewidmet.
Die Ausstellung umfasst mehr als 300 Exponate, von denen erstaunlich viele aus Schweizer Sammlungen stammen. Weitere Leihgaben haben Museen und Privatsammler in Frankreich, Belgien, Holland, Deutschland, Ungarn und den USA zur Verfügung gestellt, an ihrer Spitze das Musée Toulouse-Lautrec in Albi.
Die Ausstellung wird begleitet von einem umfangreichen Katalog mit wissenschaftlichen Aufsätzen und zahlreichen Abbildungen, dessen Produktion in den Händen des Hirmer-Verlags München liegt.
Kontakt: Simon Oberholzer, , T + 41 31
328 09 03
Bilder: Marie Louise Suter, , T +41 31 328 09 53