Sean Scully. Grey Wolf - Retrospektive, 09.03. - 24.06.2012
Kraftvoll und betörend
Das Kunstmuseum Bern zeigt eine umfassende Retrospektive des irisch-amerikanischen Künstlers Sean Scully (*1945), einem der wichtigsten Vertreter der abstrakten Malerei unserer Gegenwart. Scully schafft ein verblüffendes Spektrum an atmosphärischen Werken. Die Ausstellung und der Katalog sind in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler entstanden. Gezeigt werden grossformatige Gemälde, die in der Ausstellung und im Katalog mit Statements des Künstlers ergänzt werden, was eine neue Sicht auf Scullys Schaffen ermöglicht.
Dank der generösen Unterstützung von verschiedenen Privatpersonen konnte das Kunstmuseum Bern 2011 Grey Wolf (2007) für die Sammlung erwerben, die durch die Schenkung des Künstlers von Blue Wall Window (2007) und Wall of Light Pale Yellow (2010) erweitert wurde. Die Ausstellung ist die erste gross angelegte Retrospektive von Sean Scully in der deutschsprachigen Schweiz. Es ist eine Koproduktion mit dem renommierten Lentos Kunstmuseum Linz (zweite Ausstellungsstation). Die Schau ermöglicht einen Gesamtüberblick mit den wichtigsten Gemälden aus allen Schaffensphasen des Künstlers und mit Werken, die erstmals überhaupt zu sehen sind.
Konsequenter Werdegang
In Dublin geboren wächst Sean Scully in einem Arbeiterviertel in Süd-London auf. Bereits im Alter von neun Jahren beschliesst er, Maler zu werden. Nach einer Ausbildung als
Drucker nimmt er Abendunterricht, um sich die Techniken der Malerei
anzueignen. Er lernt die Kunst Mark Rothkos kennen, von der er sehr
beeindruckt ist und beschliesst, sich definitiv der abstrakten Malerei
zu widmen, auch wenn Konzeptkunst und die Neuen Medien Hochkonjunktur
erleben. Nach einem Stipendienaufenthalt in New York hat Scully seine
erste Einzelausstellung in einer Galerie, die komplett ausverkauft wird. Seinen internationalen Durchbruch erfährt er in den 1980er–Jahren.
Scullys Werke sind heute in rund 100 Museumssammlungen weltweit
vertreten.
Erinnerte Eindrücke auf Leinwand gebannt
Scully
selbst sagt, er male erinnerte Eindrücke, Stimmungen, Atmosphären. Ein
grosser Teil der emotionalen Wirkung von Scullys Gemälden ist auf die
Farbwahl zurückzuführen. Oft arbeitet er mit stark kontrastierenden
Farben. Er legt Lagen verschiedener Farbtöne – insbesondere Braun-,
Schwarz- und Rottöne – mit grobborstigen Pinseln übereinander, wobei die unteren Farbschichten unterschiedlich hervorschimmern. Es scheint, als
ob die luziden Farbflächen in Kommunikation zueinander und mit dem
Betrachter treten. Konsequent hält Scully dabei an seinem Bildaufbau
fest, der aus verschiedenen Kombinationen von vertikalen und
horizontalen Farbbahnen oder rechteckigen Farbfeldern besteht. Diese
Gitterstruktur benutzt der Künstler, seit er sich Mitte der 1960er-Jahre der abstrakten Malerei verschrieben hat. Die Grundstruktur wird aber
auch auf unterschiedlichste Art und Weise gebrochen, sei es mit
versetzten Linien oder mit diagonal verlaufenden Streifenmuster. Oder er setzt einzeln bearbeitete Leinwände in grössere ein und fügt solche mit verschiedenen Massen und Tiefen zusammen. Scullys Werke strahlen
Selbstbewusstsein und gleichzeitig Anmut aus, die den Betrachter in den
Bildraum einladen.
Einzigartige Inszenierung
Die Ausstellung und der
Katalog sind in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler entstanden. Für
die Ausstellung wurde im Kunstmuseum Bern eigens umgebaut und im
Untergeschoss sämtliche Zwischenwände entfernt: die grossformatigen
Werke entfalten so ihre mächtige Präsenz. Zu jedem Gemälde wurden dem
Künstler angefangene Sätze vorgelegt, die er vervollständigte. Diese
Zitate von Sean Scully, die in der Ausstellung angebracht sind, eröffnen eine neue, um die Sicht des Künstlers ergänzte Perspektive auf seine
gewaltigen Werke. Sämtliche Zitate sind auch im Katalog, der zur
Ausstellung erscheint, in Deutsch und Englisch zu finden.