Die Leichtigkeit des Ungestümen
Zeitschichten
Das Kunstmuseum Bern widmet dem Berner Künstler Rolf Iseli eine umfangreiche Ausstellung. Präsentiert werden Gemälde, Objekte, Skulpturen und Graphiken aus seinen 50 Jahren Schaffenszeit. Thematisch gruppiert, zeugen die Werke von einer ungestümen Energie und einem bemerkenswerten künstlerischen Werdegang. Iselis grosses Thema ist der Mensch und dessen natürlicher Lebensraum.
Im Werk von Rolf Iselis (geb. 1934 in Bern) spiegeln sich die
prägenden Kunstentwicklungen des 20. Jahrhunderts vom abstrakten
Expressionismus, über Action Painting und Pop-Art bis hin zum Nouveau
Réalisme und der Arte Povera.
Skandal und internationale Beachtung
Rolf Iselis Malerei fand in der Schweiz früh Beachtung; bereits sein erster öffentlicher Auftritt als Gewinner des eidgenössischen Kunststipendiums wurde 1957 zu einem Schweizer Kunstskandal. Mit seinem prämierten Werk
war er der viel diskutierte Vorreiter des Action Paintings in der
Schweiz. Zahlreiche darauf folgende Teilnahmen an der documenta
in Kassel, an Biennalen, Gruppen- und Einzelausstellungen belegen auch
die internationale Bedeutung seines Werks. In Arnold Rüdlingers Berner
Kunstlaboratorium entwickelte er in den 50er-Jahren einen der
intensivsten und radikalsten Beiträge zum Abstrakten Expressionismus in
der Schweiz. Während Stipendien- und Arbeitsaufenthalten u.a. in Paris
und New York knüpfte er Kontakte mit grossen Amerikanern wie Sam
Francis, Al Held, Barnett Newman oder Mark Rothko.
Hinwendung zur Natur
Angeregt von der Arbeit auf dem Feld seines eigenen
Weinbergs in Saint-Romain im Burgund – neben Bern seit 1960 der zweite
Wohnsitz des Künstlers – geht Iseli in den 70er Jahren nach langer
Auseinandersetzung mit Skulptur und Objekt dazu über, sogenannte
Materialbilder herzustellen. Sein grosses Thema ist der Mensch und
dessen natürlicher Lebensraum. Es entstehen entrückte
Endzeitlandschaften und kraftvolle Gemälde, in denen Figuren wie Urwesen auftauchen. Neben Erde als Malmaterial verwendet Iseli natürliche
Materialien wie Federn, Dornen oder Agavenblätter, aber auch abgenutzte
Gegenstände wie rostige Nägel, Stacheldraht oder Blech. Malerei und
Zeichnung, Collage und Druckgrafik, Skulptur und Objekt, Material und
Text gehen eine unauflösliche Verbindung ein. So ist Iselis
unverkennbare Kunst zwischen den traditionellen Kunstgattungen
angesiedelt und lässt sich nicht einer künstlerischen Gruppe oder
Bewegungen zuordnen. Sie ist das Resultat einer unabhängigen
Lebensführung in der Abgeschiedenheit der Natur.
Entdeckung von Leitmotiven
Der Ausstellungstitel Zeitschichten stammt
ursprünglich aus der Geologie und bezeichnet übereinander geschichtete
Erdformationen. In der Geschichtsphilosophie steht er aber auch für die
Idee mehrerer historischer Zeitebenen, die parallel zueinander
existieren. Wie Zeitschichten werden in der Ausstellung Werke
unterschiedlichen Entstehungsdatums aus Rolf Iselis fünfzig Jahren
Schaffenszeit thematisch gruppiert. So wird deutlich, was sich in seinem Werk wiederholt und zu Leitmotiven geworden ist.