«... die Grenzen überfliegen». Der Maler Hermann Hesse, 26.03. – 12.08.2012
Hesses malerisch-poetische Doppelbegabung
Hesse selbst verstand sich nicht nur als Schriftsteller oder Maler, sondern vielmehr als Künstler. Sein umfassendes Kunstverständnis löste die Grenzen zwischen den verschiedenen Künsten auf. Als Dichter war Hesse lange kontrovers beurteilt worden, obwohl er 1946 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet worden war. Auch als Maler wurde Hesse von der Kunstkritik lange ignoriert.
Die prägenden Berner Jahre
1912, vor genau 100 Jahren, liess sich Hermann Hesse in Bern nieder. Das «Ougspurgergut» in der Schosshalde, der «Lohn» in Kehrsatz und das Schloss Bremgarten sind die Schauplätze, mit denen Hermann Hesse in Bern eng verbunden war und wo er Inspiration und Förderung fand. Hesses Berner Jahre von 1912 bis 1919 waren nicht nur im Hinblick auf sein literarisches Werk entscheidend. In dieser Zeit, in welcher er den Künstlerroman «Rosshalde» vollendete, begann auch seine bisher wenig bekannte Laufbahn als Maler, die ihren Höhepunkt in den 1920er- und 1930er-Jahren in Montagnola erreichte.
Zwischen harmonischem Dasein und obsessiven Angstzuständen
Die Malerei nahm in Hesses Leben und Werk eine zentrale Funktion ein. Hesse verabscheute alles Mittelmässige, Normale, Durchschnittliche. Er litt in seinem eigenen Leben am Hin-und-Her-Geworfensein zwischen Bürgerexistenz und künstlerischer Selbstverwirklichung. Hesses Malerei verkörpert den Zustand eines harmonischen Daseins, der für den Künstler im realen Leben wie auch für viele Figuren seiner Dichtung unerreichbar war. Als Maler sieht Hesse das Schöne, und er findet es in seiner Tessiner Wahlheimat überall. Seine Aquarelle zeigen Blicke auf weite Seenlandschaften, auf Hügel und Täler, auf Dörfer. Erstmals wird in der Ausstellung die Werkgruppe der Traumbilder einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Es ist eine Serie von sehr persönlichen und intimen Darstellungen, zu denen Hesse durch eine Psychoanalyse angeregt wurde und in denen er seine Träume verarbeitete. Diese Bilder sind im Gegensatz zu den idyllischen Landschaftsdarstellungen geprägt von obsessiven Angstzuständen und wilder Erotik.
Umfassende Retrospektive
Viele der rund 150 ausgestellten Werke werden zum ersten Mal einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Ein Schwerpunkt liegt auf den Anfängen von Hesses künstlerischer Tätigkeit in Bern. Zudem sind zahlreiche von Hesse illustrierte Gedichte, Briefe und Manuskripte zu sehen. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf Hesses Bildsprache, die inspiriert ist von Louis Moilliet, Cuno Amiet und Albert Welti. Sie ist gekennzeichnet durch die Verfremdung der Sujets, durch erfundene Formen, wirklichkeitsferne Farben, verschiedenste Stile und wiederkehrende Kompositionsmuster. Die Ausstellung vergegenwärtigt alle Schaffensphasen, Themen, Gattungen und Stilrichtungen, in denen sich Hesse seit seinen ersten Malversuchen betätigt hat. Zu sehen sind frühe Studien, grossformatige Landschaftsaquarelle, Gemälde, detailreiche Federzeichnungen und Textillustrationen.
Rahmenprogramm und internationaler Kongress
Zur Ausstellung findet ein vielfältiges Rahmenprogramm mit szenischen Lesungen, Konzerten, einem Liederabend und literarischen Spaziergängen statt. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50. Todesjahr von Hermann Hesse veranstaltet die Universität Düsseldorf in Zusammenarbeit mit der Universität Bern und dem Kunstmuseum Bern einen internationalen Kongress, auf dem zahlreiche Hesse-Spezialisten aus der Schweiz und dem Ausland neuste Forschungsergebnisse vorstellen und Hesse erstmals in seiner Doppelbegabung als Dichter und Maler würdigen. Der Kongress findet vom 27. März bis zum 30. März 2012 im Kunstmuseum Bern statt. Er ist öffentlich, der Eintritt ist frei.