Neuerwerbung und Neuhängung der Sammlung im Kunstmuseum
Neuerwerbung / Neuhängung
Das Kunstmuseum Bern kann eine bedeutende Neuerwerbung präsentieren: Dank einem grosszügigen Beitrag der Burgergemeinde Bern konnte im April 2006 ein Hauptwerk von Albrecht Kauw, des führenden Vertreters der Berner Stillebenmalerei im 17. Jahrhundert, ersteigert werden. Die Sammlungspräsentation wurde vom Kurator Samuel Vitali neu konzipiert.
Der aus Strassburg gebürtige Albrecht Kauw
(1616–1681) war um 1640 nach Bern gekommen, wo er sich auf die
Stilleben- und Landschaftsmalerei spezialisierte. In seinen Stilleben
knüpfte er an die nordeuropäische Tradition und an die Arbeiten des
Berners Joseph Plepp an, bevor er seine persönliche Bildform
entwickelte. Kauw breitet in seinen Gemälden die ganze Vielfalt der
ländlichen Lebensmittelproduktion vor dem Betrachter aus, womit er
offenbar ganz den Geschmack seiner patrizischen Kunden traf, die als
Grundbesitzer einen zunehmend adligen Lebensstil führten. Das nun neu
erworbene und erst vor kurzem in einer Privatsammlung entdeckte Stilleben mit Fischen und sitzendem Mädchen (1660/65) gehörte vermutlich zu einem einst vierteiligen Zyklus, der
die vier Elemente versinnbildlichte, und repräsentierte darin das
Element Wasser.
Die Neuerwerbung des Gemäldes Stilleben mit Fischen und sitzendem Mädchen (1660/65) stellt eine wertvolle Bereicherung der Sammlung dar. Das grossformatige Gemälde ist in der neuen Sammlungspräsentation dem Pendantpaar Stilleben mit Salm (1677) und Stilleben mit Hahn und Henne (1678) gegenübergestellt.
Neuhängung der Sammlung
Mit der Wiedereröffnung der Sammlungsräume im
Untergeschoss des Stettlerbaus, wo bis zum 9. Juli die
Begleitausstellung zur Buchpublikation Berns mächtige Zeit zu
sehen war, sowie der Rückkehr der Sammlung Rupf ins Obergeschoss des
Atelier-5-Baus hat die im Frühjahr begonnene Neueinrichtung der Sammlung ihren Abschluss gefunden. Damit sind die historischen Bestände des
Museums wieder in repräsentativer Breite ausgestellt.
Der chronologisch angelegte Parcours beginnt im
Untergeschoss des Stettlerbaus mit den Alten Meistern – von der Gotik
bis zum Ende des 18. Jahrhunderts – und führt übers Erdgeschoss mit der
Kunst des 19. Jahrhunderts ins Obergeschoss zu Postimpressionismus,
Symbolismus und Expressionismus. In den angrenzenden Räumen im
Obergeschoss des Neubaus setzt sich die Präsentation der Kunst der
Moderne vom Kubismus bis zur Nachkriegszeit fort.
Neben den bewährten Klassikern der Sammlung – die
italienische Malerei des Tre- und Quattrocento, zentrale Werkgruppen von Niklaus Manuel, Albert Anker, Ferdinand Hodler, Ernst Ludwig Kirchner,
Adolf Wölfli, Kubismus, Blauem Reiter, Bauhaus und Surrealismus, um nur
einige der Höhepunkte zu nennen – gibt es auch seltener gezeigte Werke
und vergessene Schätze aus dem Depot zu entdecken: so in den
Altmeisterräumen den Schaukasten für die Transparentbilder des Franz
Niklaus König oder eine Auswahl von Porträtminiaturen des 16. bis 18.
Jahrhunderts aus dem Stürler-Legat. Andere Werke, wie Hodlers
monumentale symbolistische Komposition Der Tag oder das Porträt Carl Gottlieb Hommeyer von Anton Graff, erscheinen nach aufwendigen Restaurierungen wieder in neuem Glanz.
Anders als bisher wurde auf monographische Räume –
Stichwort Hodlersaal – verzichtet, zugunsten von Konfrontationen
zwischen verwandten oder zeitgleichen Positionen: so zwischen Anker und
seinen Zeitgenossen Vautier, Stauffer-Bern und dem jungen Hodler,
zwischen dem symbolistischen Hodler und Vallotton, Amiet, Giovanni
Giacometti, zwischen den Avantgarden in München und Paris um 1910. Um
dem Publikum ein besseres Verständnis der Werke, aber auch der
kunsthistorischen Zusammenhänge und der Kriterien der Auswahl zu
ermöglichen, sind in naher Zukunft Saaltexte auch für die Sammlungsräume geplant.
Nach wie vor zu wenig Raum steht für die Präsentation der zeitgenössischen Kunst zur Verfügung. Bis zur Eröffnung des
aareseitigen Neubaus wird die umfangreiche Sammlung der Abteilung
Gegenwart ausser in thematischen Ausstellungen wie Six Feet Under nur ausschnittweise in einzelnen Räumen (so mit den Installationen von
Markus Raetz und Serge Spitzer) zu sehen sein. Indem der chronologische
Parcours punktuell durch den Einschub von zeitgenössischen Arbeiten, von Pipilotti Rist bis James Lee Byars, durchbrochen wird, sollen aber die
Bezüge zwischen älterer Kunst und Gegenwartskunst veranschaulicht
werden.
Die Sammlungspräsentation wird neu ergänzt durch einen Raum im Untergeschoss, wo von nun an im Halbjahresrhythmus wechselnde Werkgruppen aus der Gemälde- und Skulpturensammlung gezeigt werden, welche sonst aus Platzmangel nicht zu sehen sind: Neben thematischen wie monographischen Auszügen aus den Beständen älterer Kunst wie der Gegenwartskunst sollen hier auch periodisch Neuerwerbungen vorgestellt werden. Den Anfang macht zurzeit eine Präsentation von Gemälden, Plastiken und Moiré-Objekten des wichtigen Berner Eisenplastikers Werner Witschi, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag hätte feiern können.