Gurlitt-Entscheid Das Kunstmuseum Bern begrüsst den Gurlitt-Entscheid des Oberlandesgerichts München
Mit Freude – und auch Erleichterung – hat das Kunstmuseum Bern den Entscheid des Oberlandesgerichts München vom 15. Dezember 2016 zur Kenntnis genommen. Das Gericht bestätigt darin die Erbenstellung des Kunstmuseums Bern im Fall Gurlitt. Mit diesem Entscheid können nun die Vorbereitungen für die geplanten Ausstellungen im Kunstmuseum Bern und der Bundeskunsthalle in Bonn intensiviert werden, die den Zugang der Öffentlichkeit zu den Werken und der Geschichte der Betroffenen sicherstellen sollen.
Gleichzeitig ermöglicht der Entscheid dem Kunstmuseum Bern, die laufende Provenienzforschung des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste substantiell zu unterstützen. Mit dem Ziel, sämtliche Werke weiter zu erforschen, Raubkunst ausfindig zu machen und allfällige weitere Restitutionen in Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland rasch und unbürokratisch abzuwickeln.
In zweiter Instanz hat das Oberlandesgericht am 15. Dezember 2016 in dem mittlerweile 18 Monate dauernden Erbscheinsverfahren entschieden, dass das Testament von Cornelius Gurlitt gültig ist. Damit hat die testamentarisch verfügte Erbenstellung des Kunstmuseums Bern Bestand. Für das Kunstmuseum Bern war die Zeit seit Kenntnis der Erbeinsetzung durch Cornelius Gurlitt ausserordentlich herausfordernd. Entsprechend erfreut und auch erleichtert ist das Kunstmuseum über den Entscheid des Oberlandesgerichts München.
Lückenlose Erforschung der Werke, Restitutionen
Mit Ausstellung des Erbscheins wird es dem Kunstmuseum nun möglich sein, die Forschungsarbeiten des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste substantiell zu unterstützen. Die seit längerer Zeit vorliegenden Finanzierungszusagen sind an die gerichtlich geschützte Erbenstellung gebunden.
Die Forschungsarbeiten dauern voraussichtlich bis Ende 2017. Werke, die erwiesenermassen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit Raubkunst sind, werden entsprechend der Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kunstmuseum Bern durch die Bundesrepublik restituiert. Werke, die erwiesenermassen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Raubkunst sind, werden durch das Kunstmuseum Bern übernommen. Bei Werken, bei denen weder das eine noch das andere zutrifft, kommt dem Kunstmuseum Bern ein Wahlrecht zu. Das Kunstmuseum Bern wird seine diesbezüglichen Entscheide sorgfältig und mit Respekt vor den historischen Gegebenheiten fällen.
Insbesondere in Bezug auf die sogenannte „Entartete Kunst“ wird das Kunstmuseum eine grosszügige Ausleihpolitik gegenüber deutschen Museen anwenden.
Ausstellungen in Bern und Bonn
Mit dem Entscheid des Oberlandesgerichts wird zudem der Weg für die geplanten parallelen Ausstellungen in der Bundeskunsthalle in Bonn und dem Kunstmuseum Bern frei gemacht. Das gemeinsam entwickelte Konzept möchte Transparenz herstellen und hat einen zeitgeschichtlichen Fokus. Thematisiert werden der Umgang des totalitären NS-Regimes mit Kunst, wie es zur Begrifflichkeit der «Entarteten Kunst» kam, welche Biografien eine Rolle spielten, insbesondere welche jüdischen Sammler und jüdischen Künstler Opfer des Kunstraubs und des Holocaust wurden. Und wie geraubte Werke später wieder zurück in die Museen und privaten Sammlungen gelangten.
Kunsthistorische Bedeutung des Gurlitt-Erbes
Ein grosser Teil der Werke ist inzwischen von ihrer Provenienz her erforscht und frei von Raubkunstverdacht. In diesem Konvolut finden sich hervorragende farbige Werke auf Papier von Künstlern der Neuen Sachlichkeit (Otto Dix „Sappenkopf“, George Grosz „Die Krankenschwester“), ebenso eine umfangreiche, sehr qualitätsvolle Gruppe von Aquarellen und einzelnen Gemälden aus dem Umkreis der deutschen Künstlergruppen „Die Brücke“ (Erich Heckel „Herrenbildnis“, Karl Schmidt-Rottluff „Winterlandschaft“, Emil Nolde „Überschwemmung“, „Steg mit Mühle“, Otto Mueller („Portrait Maschka Mueller“) und des Blauen Reiters, hier ist insbesondere auf Spitzenwerke von Franz Marc („Sitzendes Pferd“, „Pferde in Landschaft“), August Macke („Im Schlossgarten von Oberhofen“) und Kandinsky („Schweres Schweben“) hinzuweisen. Ergänzt werden diese Aquarelle und Gouachen, die vielfache Bezüge zu bestehenden Werken der Sammlung des Kunstmuseums Bern aufweisen durch sehr gute, umfangreiche Konvolute von Druckgraphik von Max Beckmann, Lovis Corinth, Otto Dix, Heinrich Campendonk, Oskar Kokoschka, Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff.
Unter den bislang noch nicht abschliessend erforschten Werken befinden sich einzelne Gemälde von herausragender kunsthistorischer Bedeutung, unter anderem ein Gemälde von Paul Cézanne, aber auch Gemälde von Paul Gauguin, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir u.a.
Auskunft erteilen:
Dr. Marcel Brülhart, Vizepräsident des Stiftungsrats Kunstmuseum Bern-Zentrum Paul Klee
Dr. Nina Zimmer, Direktorin Kunstmuseum Bern-Zentrum Paul Klee
Kontakte über:
Maria-Teresa Cano, Leiterin Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Kunstmuseum Bern-Zentrum Paul Klee, , T +41 31 359 01 89