Kunstmuseum Bern @ PROGR
Martin Ziegelmüller. Martin Ziegelmüller im Dialog mit Karin Lehmann, Monika Rechsteiner,Maja Rieder, Reto Steiner
Seit den 1970er-Jahren tauchen im Werk des Berner Malers Martin Ziegelmüller (*1935) immer wieder Ruinen auf. Damals waren es die zunehmende Zerstörung der Natur und das Wuchern der Städte und Autobahnen, die den naturverbundenen Künstler veranlassten, dieses Motiv aufzugreifen. In seiner Malerei gab er der Natur das Land zurück, das die Zivilisation in Beschlag genommen hatte.
Als Bürger agierte Martin Ziegelmüller ebenso engagiert wie als Künstler. Er schrieb Leserbriefe und machte Eingaben, um die Landschaften in seinem Lebensumfeld zu erhalten. Insbesondere das Grosse Moos, das nicht nur von Meliorationen, sondern auch von einem Flughafenprojekt bedroht war, lag ihm am Herzen. In seiner Malerei gab er der Natur das Land zurück, das die Zivilisation in Beschlag genommen hatte. Autobahnbrücken und verschiedene Schweizer Städte wurden von Naturgewalten wie Erdbeben, Sintfluten oder ungestüm vorrückenden Gletschern heim gesucht und zerstört. 2001 stellt Martin Ziegelmüller im Rückblick fest:«Wie konnte man bloss der Idee verfallen, dem Beton mit dem Pinsel zu Leibe zu rücken? In den Achtzigerjahren nahm die Bautätigkeit jedenfalls noch zu, und die Luft hing schadstoffschwanger darüber. Obwohl ich malend zuerst Bern, dann Zürich, schliesslich Basel dem Erdboden gleichgemacht und mit Gletschern zugedeckt hatte, von Wasser überfluten liess, dem Urwald zurückgab, wucherte der Beton weiter, eroberte der Asphalt die Ebenen, griff in die Täler, kam in den Voralpen gut voran. Da griff ich nach dem roten Knopf. Wo einst der Zürichsee die Voralpen gespiegelt hatte, war danach nur noch ein Loch. Ein Krater mit verglasten Rändern. In Jahrhunderten erst würde er sich mit Wasser gefüllt haben. Der Fortschritt war aber nicht aufzuhalten.» Seither hat Martin Ziegelmüller auf verschiedene aktuelle Ereignisse mit Ruinenbildern reagiert. So hat er Ende 1990er-Jahre, als die Diskussion um die Expo02 eben erst eingesetzt hatte, aus einer angefangenen Stadtansicht von Biel kurzerhand eine Arteplage-Ruinenlandschaft gemalt und so seine Skepsis gegenüber diesem Projekt ausgedrückt. Während die frühen Gemälde und die Arteplage-Darstellungen in unmittelbarem Bezug zur Lebenswelt des Künstlers stehen – seit 1958 lebt er in Vinelz im Seeland – und aus der Sorge um die Natur entstanden sind, haben bei den neusten Arbeiten ferne Katastrophen und Kriege eine Beschäftigung mit dem Motiv ausgelöst. Martin Ziegelmüller reagiert damit unmittelbar auf das politische Tagesgeschehen und Bilder zerstörter Städte in den Medien. So hat der Libanonkrieg 2006 den Künstler zu einer Serie mit Häuserruinen und Mauerresten veranlasst, in denen die drei Grundfarben die Steinhaufen bunt leuchten lassen. Martin Ziegelmüllers Reaktion auf das Unglück in Fukushima ist in der Ausstellung im Kunstmuseum Bern zu sehen. In anderen Gemälden ist das Thema Ruine allgemeiner gefasst. So kann ein glühender Himmel auf zerstörerische Feuer verwei-sen und Kondensstreifen sind ihm Zeichen der übergreifenden Zivilisation. Das Bild Toteninsel von 1996/1997 zitiert zwar im Titel Böcklins berühmte Werkgruppe, zeigt jedoch keine mystische Stätte, sondern die Überreste einer von einer Katastrophe heimgesuchten Welt.