Manet zu Gast in der Sammlung «La maîtresse de Baudelaire couchée»
Im Szépmûvészeti Museum - dem Budapester Kunstmuseum, das in diesem Jahr mit einer grossen van-Gogh-Ausstellung sein hundertjähriges Bestehen feiert - gastieren zurzeit unsere Sonnenblumen. Dieses Museum wird ab Oktober 2007 Meisterwerke aus der Rupf-Collection zeigen und die grosse Ferdinand-Hodler-Ausstellung übernehmen, welche gegenwärtig für das Jahr 2008 vorbereitet wird. Als Zeichen kollegialer Zusammenarbeit bietet das Szépmûvészeti Museum dem Kunstmuseum Bern die Gelegenheit, einem wichtigen Werk aus seiner Sammlung Gastrecht zu gewähren: dem Gemälde La maîtresse de Baudelaire couchée, 1862 von Edouard Manet.
Porträtiert ist Jeanne Duval, die langjährige Geliebte von Charles Baudelaire (1821-1867). Über die als zweitrangige Schauspielerin am linken Seineufer tätige Mulattin ist wenig bekannt. Baudelaire hatte Duval 1842 kennen gelernt - es war der Anfang einer fast ein Leben lang währenden stürmischen Beziehung. Obwohl die beiden sich 1856 wieder trennten, kümmerte sich Baudelaire rührend um seine "Vénus noire", nachdem sie 1859 einen Hirnschlag erlitten hatte. Von 1860 bis 1861 lebten sie erneut zusammen. In der 1857 erschienenen und später mit Nachträgen ergänzten Sammlung der Fleurs du Mal widmete Baudelaire seiner kreolischen Muse einen ganzen Zyklus von Gedichten.
Als der dreissigjährige Edouard Manet (1832-1883) sie 1862 malte, war Jeanne Duval bereits krank und - wie am ungelenk hervorgestreckten Bein zu erkennen ist - teilweise gelähmt. In einem Brief an seine Mutter vom 11. Okt. 1860 spricht Baudelaire von ihr als "vieille beauté transformée en infirme". Tatsächlich schmeichelt Manets Bild der Porträtierten in keiner Weise: Auf einem grünen Sofa hingelagert, hält sie den Kopf leicht geneigt und hat die übergrosse rechte Hand in einer etwas linkischen Geste an die Sofalehne gelegt. Ihre nur skizzenhaft ausgeführten Gesichtszüge wirken hart, die Augen sind verschattet.
Dem klein erscheinenden Kopf der Porträtierten kommt aber nicht die Hauptrolle im Gemälde zu. Die Bildfläche wird vielmehr dominiert vom üppig-bauschigen weissen Krinolinenkleid, dessen stofflicher Fluss das Wiegen der luftigen Spitzengardinen in der Fensternische des damaligen Ateliers an der Rue Guyot aufnimmt. Der lockere, impressionistische Duktus weist bereits auf Manets Stil der siebziger Jahre voraus. La maîtresse de Baudelaire couchée ist so der erste Versuch in jener "Weissmalerei", die später zu einem Markenzeichen des Künstlers werden sollte, und zugleich ist es in seinem Œuvre das erste Beispiel für den Typus der auf einem Sofa oder Bett liegenden Frau in modisch-eleganter Kleidung, ein Genre, das sich in der Folge grosser Beliebtheit erfreute und auch von Kolleginnen und Kollegen wie Berthe Morisot, Pierre-Auguste Renoir und Claude Monet in vielen Variationen aufgegriffen wurde. Ein nacktes Gegenstück zu den bürgerlichen Damen in Weiss ist die im folgenden Jahr gemalte Kurtisane Olympia (Musée d'Orsay, Paris), die im Salon von 1865 einen Skandal auslösen sollte und von der wir hier die radierte Fassung zeigen.
Manet und Baudelaire hatten sich um 1858 kennengelernt und rasch angefreundet, obwohl der Dichter der Kunst des elf Jahre jüngeren Manet etwas reserviert gegenüberstand. Dieser porträtierte Baudelaire im selben Jahr 1862 in seinem grossen Gemälde Musique aux Tuileries (National Gallery, London) als Flaneur inmitten der bunten Pariser Gesellschaft. Das charakteristische Profil des Dichters aus diesem Bild diente Manet später als Vorlage für die delikat-skizzenhafte Radierung Baudelaire en chapeau, de profil, von der hier ebenfalls ein Exemplar aus der Graphischen Sammlung ausgestellt wird.