Im Kabinett: Mili Jäggi. Gouachen und Zeichnungen
1990 richtete der damalige Konservator der Paul Klee-Stiftung, Josef Helfenstein, der bis dahin im Stillen arbeitenden Mili Jäggi (1931-2005) eine Ausstellung im Kunstmuseum Bern aus und stellte damit ihr eigenwilliges Schaffen erstmals der Öffentlichkeit vor. Aus Dankbarkeit vermachte Jäggi dem Museum testamentarisch eine Gruppe von Arbeiten, die wir nach ihrem Tod im Dezember 2005 aus dem Nachlass aussuchen durften. Zusammen mit den schon 1990, anlässlich der ersten Ausstellung erworbenen Werken zeigt das Kunstmuseum Bern nun diesen wichtigen Neuzugang als postume Hommage an die Berner Künstlerin.
Obwohl sie neben der beruflichen Arbeit als Graphikerin und Restauratorin seit ihrer Jugend künstlerisch tätig war, entwickelte Mili Jäggi ihre persönliche Bildsprache erst ab 1977/78 in grossformatigen Gouachen. In einem monate-, oft jahrelangen Prozess überarbeitete sie unregelmässig zugeschnittene Streifen von grobem Packpapier wieder und wieder mit Pinsel, Lappen und Schwämmen, bis das Resultat sie überzeugte, was manchmal bis zur Zersetzung des Malgrundes führte. Die bald vibrierenden, bald ruhig schwebenden Farbräume erinnern in ihrer meditativen Wirkung am ehesten an Gemälde Mark Rothkos, auch wenn sie aus ganz anderen Voraussetzungen und mit anderen Mitteln entstanden sind.
In den ungegenständlichen Farbklängen suchte die Künstlerin ein Äquivalent zu ihren Erfahrungen, zu Gesehenem und Erlebtem zu realisieren. Zur Vergegenwärtigung der gesuchten Töne bediente sie sich dabei einer Art Musterkollektion aus verschiedensten Alltagsgegenständen, Steinen, Stoffresten und Fotos aus Zeitschriften, Katalogen oder Kunstbüchern. Die Verwendung der verschiedenen Farben musste sich die Malerin dabei mühsam erarbeiten; mit roten, braunen und gelben Tönen beginnend, tastete sie sich erst in den letzten Jahren an Grün und Blau heran,
Durch ihre Grösse und Proportionen wecken die Gouachen Assoziationen an menschliche Körper, auf denen sich die Versehrungen durch das Leben in Form von Rissen und anderen Gebrauchsspuren abzeichnen. Dabei ergibt sich ein spannungsvoller Kontrast zwischen der immateriell wirkenden, wie aus sich selbst leuchtenden Farbfläche und der fragilen, körperhaften Materialität des Bildträgers, die besonders in der intensiven Bearbeitung der Bildränder zum Ausdruck kommt.