Sammlungspräsentation: Berns verlorener Altar. Niklaus Manuel und die Tafeln der Predigerkirche zu Bern
Zur heutigen Französischen Kirche hat das Kunstmuseum Bern eine besondere Beziehung. Ihr Chorraum war ab 1849 das erste Bernische Kunstmuseum bevor der Institution ein eigenes Gebäude errichtet wurde. Zur Sammlung des Kunstmuseum Bern gehören auch drei Tafeln des bedeutendsten Malers der Frühen Neuzeit in Bern, Niklaus Manuel genannt Deutsch. Es wird angenommen, dass diese Tafeln, gemeinsam mit zwei weiteren im Kunsthaus Zürich und im Kunstmuseum Basel sowie einem Fragment, das sich heute in der Sammlung des Klosters Einsiedeln befindet, zum Hochaltar dieser Kirche gehörten. Die Umstände, die dazu geführt haben, dass der grösste Teil dieser Tafeln in ihrem heutigen Zustand im Kunstmuseum Bern erhalten geblieben sind, sind aufs Engste mit der Geschichte Berns in der Frühen Neuzeit und einer der dramatischsten kulturellen Umwälzungen Europas verbunden.
In der heutigen Forschung ist es nicht mehr unumstritten, dass die drei Tafeln Teile eines Altarretabels waren. Dass der Zusammenhang der Tafeln jedoch überhaupt eine Frage der Wissenschaft darstellt, hat mit dem Schicksal der Bildergruppe zu tun, die im Mittelpunkt der Ausstellung stehen soll. Denn der Verlust dieses Zusammenhangs ist kein selbstverständlicher Prozess, sondern hat mit einer fundamentalen Neubewertung der Bilder zu tun. Genau diesem Prozess der Umwertung der Bilder, vom Altar zum Kunstwerk, geht die Ausstellung nach.
Ursprünglich stellten diese Tafeln Manuels keine einzelnen Kunstwerke dar, sondern sie waren Teil von einer Art „sakralem Möbel“, das bestimmte Aufgaben innerhalb des christlichen Kultus zu erfüllen hatte. Wenn man der Rekonstruktion des Hochaltarretabels der Predigerkirche glauben darf, sind mindestens eine Tafelseite sowie der komplette Mittelteil mit geschnitzten Figuren verloren. Der Rest ist mehr oder weniger fragmentarisch überliefert. Überlebt haben die gemalten Tafeln nicht als visuelle Instrumente der katholischen Glaubenspraxis, sondern als Kunstwerke Niklaus Manuels. Diese Umdeutung hat sie als Objekte der materiellen Kultur Europas erhalten. Die Tafeln wurden aus dem Altargehäuse gelöst - dieses ist verloren -, einzeln gerahmt und ebenso einzeln gekauft und aufbewahrt. Als bedeutende Meisterwerke der Berner Kunst um 1500 und ihres wichtigsten Meisters sind sie von der Gottfried Keller-Stiftung und der Berner Burgergemeinde für das Kunstmuseum Bern angekauft worden.