Medienmitteilung Di 21.09.11

«Anna Blume und ich». Zeichnungen von Kurt Schwitters, 23.09.2011 - 08.01.2012

Zeichnung als Experimentierfeld

Kurt Schwitters (1887–1948) ist einer der wichtigsten Protagonisten in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Schwitters revolutionierte die Collage mit seinen sogenannten Merz-Bildern, die er aus Zeitungsausschnitten, Reklame, Stoff, Metall und sogar Abfall herstellte. Zudem gilt er als Vorreiter der zeitgenössischen Installationskunst. Dass Schwitters darüber hinaus aber auch ein innovativer Zeichner war, belegt die Ausstellung im Kunstmuseum Bern mit rund 100 Zeichnungen.

Kurt Schwitters ist weithin als Künstler bekannt, der aus verschiedensten Materialien Collagen und Installationen herstellte. Das Kunstmuseum Bern besitzt mit Ausgerenkte Kräfte (1920) ein bedeutendes Werk von Schwitters Merz-Kunst. Der ehemalige Direktor Max Huggler kaufte es 1961 unter grossen Entbehrungen aus seinen privaten Mitteln und schenkte es dem Museum, da ein Ankauf an der Stimme des Kassiers gescheitert war. Heute stellt das Bild eines der Hauptwerke der Sammlung dar.

Überraschend vielfältig
Die Ausstellung mit rund 100 ausgewählten Zeichnungen aus dem Nachlass des Künstlers und aus Privatbesitz bietet erstmals einen Überblick über das zeichnerische Werk von Schwitters. Weil die Zeichnungen vordergründig nichts zu tun haben mit der Merz-Kunst wurde dieser Teil seines Werks lange Zeit nur wenig beachtet. Schwitters’ zeichnerisches Schaffen umfasst verschiedene Stilrichtungen: Sie reichen vom Dadaismus über den Konstruktivismus zum Realismus bis hin zu surrealistischen Anklängen. Diese überraschende Vielfalt lässt entscheidende künstlerische Wendepunkte und stilistische Entwicklungen nachvollziehen. So werden Schwitters Weg zur Abstraktion um 1918 und seine Experimente mit der konstruktivistischen Formensprache deutlich. 1937 kehrte Schwitters aus einem Aufenthalt in Norwegen nicht zurück nach Deutschland. Er galt den Nazis als entarteter Künstler, seine Werke wurden beschlagnahmt und diffamiert. 1940 marschierten deutsche Truppen in Norwegen ein und Schwitters flüchtete nach Schottland. Dort wurde er als Ausländer in verschiedenen Lagern interniert. Schwitters konnte sich im Hutchinson Camp auf der Isle auf Man ein Atelier einrichten und zeichnete seine Mitgefangenen; diese Zeichnungen gelten heute als Höhepunkt von Schwitters’ Porträtkunst. Schwitters Vertrautheit und Nähe zur Natur wird in seinen Zeichnungen besonders sichtbar. Beeindruckt von der Gebirgslandschaft in Norwegen und England schuf Schwitters Landschaftszeichnungen. Darunter sind skizzenhafte, beinahe abstrakte Werke wie auch realistische Darstellungen. Die Ausstellung zeigt, dass das Zeichnen für Schwitters nicht nur eine Fingerübung darstellte, sondern zeitlebens eine wichtige Inspirationsquelle und Experimentierfeld war und ihm als Naturstudium und als Mittel zur Entwicklung seiner typischen Formensprache diente.

Die inspirierende Anna Blume
Schwitters vermischte immer wieder die traditionellen Gattungen Malerei, Zeichnung, Druckgrafik, Lyrik und Schrift. Der Ausstellungstitel «Anna Blume und ich» nimmt nicht nur Bezug auf Schwitters’ dadaistisches Liebesgedicht an seine Phantasiefreundin sondern auch auf ein Aquarell gleichen Titels in der Ausstellung. Schwitters Anna Blume inspirierte aber auch die Hip-Hop Gruppe Freundeskreis zu ihrem Song «A.N.N.A.», und in verschiedenen Werken des amerikanischen Schriftstellers Paul Auster taucht Anna Blume als Romanfigur auf.
Die Ausstellung ist eine Koproduktion mit dem Sprengel Museum Hannover und der Kurt und Ernst Schwitters Stiftung, Hannover, die den künstlerischen Nachlass von Schwitters verwaltet.