Ricco Wassmer 1915-1972. Zum 100. Geburtstag, 27.11.2015 – 13.03.2016
Ricco Wassmer 1915-1972. Zum 100. Geburtstag
Das Kunstmuseum Bern zeigt vom 27.11.2015 bis 13.03.2016 Ricco Wassmer 1915-1972. Zum 100. Geburtstag. Mit surreal wirkenden Arrangements schuf der Berner Maler Ricco Wassmer ein einzigartiges Werk zwischen Naiver Malerei, Neuer Sachlichkeit und Magischem Realismus. Das verlorene Kinderparadies, schlanke Jungen, Matrosensujets, Segelschiffe, Stillleben und die Sehnsucht nach der Ferne sind die zentralen Themen seines Œuvres.
Anlässlich des 100. Geburtstags von Ricco Wassmer (eigentlich Erich Hans Wassmer, 1915–1972) zeigt das Kunstmuseum Bern vom 27. November 2015 bis am 13. März 2016 eine umfassende Retrospektive des Schweizer Malers und Fotografen. Die über 200 Leihgaben, vor allem aus Privatbesitz, bieten einen breiten Überblick über Wassmers gesamtes Schaffen. Viele Werke, darunter auch neu entdeckte, wurden noch nie öffentlich präsentiert. Weil die Kamera dem Maler nicht nur Ersatz für das Modellstudium war, sondern ab den 1950er Jahren an Bedeutung gewann, wird ein spezieller Fokus auf die Wechselwirkung von Malerei und Fotografie gelegt. Die chronologisch gegliederte Schau basiert auf der von Betty Stocker begonnenen und ab 2008 von Marc Joachim Wasmer fortgesetzten Forschung für den Catalogue raisonné der Gemälde und Objekte. Dieser reich illustrierte Werkkatalog mit Biografie und kritischem Werkverzeichnis, erscheint anlässlich der Ausstellung in Bern.
Mit der Berner Szene um Kunsthalleleiter Arnold
Rüdlinger eng verbunden
Seine Jugend verbrachte der
Industriellensohn Ricco Wassmer in einem kunstnahen Milieu auf Schloss
Bremgarten bei Bern. Nach Studien in München und Paris kehrte er 1939 in die
Schweiz zurück. 1948/49 verbrachte er mehrere Monate auf Tahiti und fuhr dann
als Hilfskoch auf einem Frachter zweimal um die Welt. Ab 1950 lebte er
teilweise in Zentralfrankreich bei Vichy, blieb aber der Berner Szene um den
Kunsthalleleiter Arnold Rüdlinger weiterhin eng verbunden. 1963 übersiedelte er
nach Ropraz bei Lausanne, 1972 starb er im Alter von 56 Jahren an den Folgen
einer Lungenkrankheit.
Sehnsucht und Melancholie
Ricco Wassmers Werdegang ist eng mit den
«heroischen Jahren» der Berner Kunst verwoben, doch von Anfang an war er ein
Grenzgänger und Abweichler, der sich durch rätselhafte Bilder mitteilte. Wassmer
war ein tief melancholischer Mensch, der einen eigenen Weg abseits von
Abstraktion und Avantgarde ging. Seine Bilder waren ihm ein Mittel der
Selbstbehauptung, um seine homoerotischen Neigungen auszudrücken. Gedrängt von
seiner Sehnsucht nach dem Jungen, der die als ideal empfundene Kindheitswelt verkörpert,
malte er verschlüsselte, aus Versatzstücken der Jugend sowie Objekten, Zahlen, Texten
und Bildzitaten montierte Stillleben und Szenerien.
Bildgefüge aus Fantasie und Wirklichkeit, Traum und
Erinnerung
Zentrales Thema ist der schon bei den alten
Griechen kultisch verehrte Ephebe, der Jugendliche am Wendepunkt zum
Erwachsenen in der Phase aufkommender Sexualität. Anders als vor ihm Otto
Meyer-Amden, der den Einzelnen ätherisch in der Gemeinschaft und im Ritual aufgehen
liess, zeigt Ricco Wassmer die schlanken Jungen in altmeisterlicher Manier aber
so lebensnah, als wären sie Idole zum Anfassen. Ab den 1950er Jahren arbeitete
er fast ausschliesslich nach eigenen und fremden fotografischen Vorlagen in
einem glatten, an Niklaus Stoecklin, Ingres und wohl auch an Max Ernst, Paul
Delvaux, Man Ray und Balthus geschulten Stil. In seinen Bildern werden Fantasie
und Wirklichkeit, Traum und Erinnerung zu einem Bildgefüge verbunden. Damit
schuf Ricco Wassmer seine unverwechselbare Bildsprache, die Harald Szeemanns Begriff
der «Individuellen Mythologie» entspricht.
Kontakt: Michèle Thüring, , T +41 31 328 09 19
Bilder: Marie Louise Suter, , T +41 31 328 09 53