Germaine Richier. Retrospektive, 29.11.2013 - 06.04.2014
Dem Menschen zugetan
Die französische Bildhauerin Germaine Richier (1902-1959) ist eine Ausnahme-künstlerin des 20. Jahrhunderts. Berühmt wurde sie vor allem mit ihren Insektenfrauen – hybriden Figuren von Ameisen, Heuschrecken und Spinnen mit menschlichen Gesichtern, Gliedmassen und Brüsten. Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern ermöglicht die Wiederentdeckung des eigenständigen Werks von Richier, das nichts von seiner Aktualität eingebüsst hat.
Richier geht nach ihrer Ausbildung bei Antoine Bourdelle in Paris, wo sie sich intensiv mit figürlicher Plastik beschäftigt, künstlerisch einen so eigenständigen Weg, dass ihr Werk noch heute nicht einfach einzuordnen ist.
Der Mensch als Teil der Schöpfung
Richiers gesamtes Schaffen ist auf den Menschen ausgerichtet. «Allein das
Menschliche zählt», hat Germaine Richier einmal über ihre Arbeiten gesagt. Ihre
schrundig aufgerissenen Figuren, die oft mit Drahtverspannungen versehen sind
und die jeglicher Sicherheit beraubt scheinen, führten dazu, dass Richiers Werk
oft in Zusammenhang mit dem Existenzialismus gestellt wurde. Ihr Menschenbild weist
aber über dieses Zeitalter auch hinaus. Der Mensch ist in ihrem Werk Teil der Schöpfung
und beherrscht sie nicht. Richier setzt den Menschen dem Tier gleich in ihren
Mischwesen. Auch wenn Richier einen grossen Teil ihres Lebens in Paris
verbringt, beschäftigt sie sich in ihrem Werk nicht mit der Grossstadt. Ihre tiefe
Beziehung zur Natur ist geprägt von ihrer Heimat in der Provence. Sie sammelt immer
wieder Steine und Holz, die sie in ihren Werken verwendet. Richier kann heute
als eine der ersten ökologisch denkenden und fühlenden Künstlerinnen betrachtet
werden. Insofern weist ihr Werk über die eigene Zeit hinaus und besticht auch
heute noch durch seine Aktualität.
Enge Verbindung zur Schweiz
Germaine Richier war der Schweiz eng verbunden.
Ihren ersten Ehemann, den Zürcher Bildhauer und Plastiker Otto Charles
Bänninger, lernte sie im Atelier Bourdelle kennen, wo die beiden studierten.
Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbricht, bleibt Richier mit Bänninger in Zürich
und trifft dort Alberto Giacometti, Marino Marini, Hans Arp, Le Corbusier und
Fritz Wotruba wieder, mit denen gemeinsame Ausstellungen und ein intensiver
Austausch entstehen. Auch zu Cuno Amiet, der sie porträtierte und nach ihrer
Rückkehr 1946 nach Paris auch mehrmals besuchte, pflegte sie eine enge
Beziehung. Richier bleibt der Schweiz verbunden und unterrichtet auch viele
Schweier Schüler.
Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Mannheim
Gezeigt wird mit rund 60 Plastiken ein nach Themen
geordneten Überblick über Richiers gesamtes Schaffen. Die Ausstellung basiert
je auf wichtigen Werken in der Sammlung des Kunstmuseums Bern und der
Kunsthalle Mannheim, wo die Ausstellung ab Mai 2014 zu sehen sein wird. Bern
besitzt von Richier die Bronzen Escrimeuse
avec masque (1943) und als Hauptwerk La
Sauterelle aus den Jahren 1955/56, Mannheim die grosse Bronze La Mante (1946). Ergänzt wird die
Präsentation mit Werken aus den beiden Sammlungen des Kunstmuseums Bern und der
Kunsthalle Mannheim, um den Horizont der Fragen an Richiers grosses Œuvre zu erweitern.
Kontakt: Brigit Bucher, , T
+41 31 328 09 21
Bilder: Marie Louise Suter, , T +41 31 328 09 53